Ich habe diesen Thread schon vor einiger Zeit gelesen und mir eine Weile so meine Gedanken darüber gemacht.
Es ist richtig, dass Alter nicht unbedingt mit Intelligenz gleichbedeutend ist. Wohl aber mit Lebenserfahrung. Ich lehne mich jetzt einmal weit aus dem Febster und behaupte, dass es in der Generation der heute Hochbetagten keine Couchpotatoes gibt, deren einziges geistoges Erbe in einer Wegbeschreibung zwischen Wohnzimmer und Kühlschrank liegt. Sie werden alle Experten in irgendeinem Lebensbereich sein. Der eine war vielleicht ein Jäger, der an umgebogenen Zweigen erkennt, welches Tier den Weg gekreuzt hat. Ein anderer war Maurer und kann dir erklären, warum deine selbstgezogene Mauer eingestürzt ist. Ein dritter war Anwalt und kann dich dahingehend beraten, was du wie am geschicktesten anstellst, ohne erwischt zu werden. All das ist Erfahrung. Wenn nun der Maurer den Jäger als dumm verschreit, weil er nicht weiß, wie der Mörtel angemischt wird, wird er feststellen, dass er, verändert man den Blickwinkel, plötzlich selbst als der Dumme dasteht.
Ein Sprichwort besagt "Hüte dich vor einem alten Mann mit einem Beruf, in dem Männer jung sterben. Es gibt einen Grund, warum er alt wurde."
Das lässt sich auf jeden einzelnen Bereich des Lebens übertragen.
Richtig, Alter allein verdient keinen Respekt. Aber die Erfahrung, die ein Mensch in seinem Leben gesammelt hat verdient durchaus Achtung.
Es gibt auch einen Grund, warum die meckernde Oma im Fenster so geworden ist wie sie ist. Vielleicht musste sie sich als junge Frau als alleinerziehende Mutter von fünf Kindern in einer von Männern dominierten Welt behaupten und ihre ruppige Art ist der Ausdruck ihres Widerstandes gegen jahrzehntelange Unterdrückung. Sie hat gelernt sich durchzusetzen. Das ist Lebenserfahrung.
Ich denke, dass das den Kern des Problems mit dem Respekt vor dem Alter trifft.
Aber was ist Respekt? Der Duden definiert ihn "Bewunderung" "ruhende Achtung".
Dieser Definition würde ich mich nicht anschließen. Ich denke, es gibt da durchsus einen Unterschied zwischen Achtung und Respekt, auch wenn die deutsche Sprache dies nicht herzugeben vermag. Meiner Meinung nach ist Achtung das Mindestmaß an höflichem Umgang miteinander, welches von der Gesellschaft vorgegeben wird. Respekt geht da einen deutlichen Schritt weiter und es spielen Begriffe wie Ehre eine tragende Rolle.
Respekt habe ich per sé erdt einmal vor niemandem. Achtung jedoch vor jedem. Respekt muss man sich verdienen. Ich begegne jedem erst einmal neutral, so hat auch jeder die gleichen Chancen meinen Respekt zu verdienen. Und hier kommen dann die von meinen Vorrednern angesprochenen Taten und Verhaltensweisen ins Spiel. Je nachdem wie sich jemand in einer gegebenen Situation verhält kann er Plus-, aber auch Minuspunkte sammeln. Dies endet dann mit Respekt oder Missachtung. Letzteres ist - zumindest bei mir - endgültig. Auch das ist Lebenserfahrung.
Die von der TE angesprochenen professionellen Hierarchien haben wenig mit Respekt zu tun, sondern ausschließlich mit Autorität. Liebe in der Leitungsebene verwechseln Respekt häufig mit Ehrfurcht oder sogar Angst, die ihm wegen eines 'Der-kann-mir-was-Denkens' entgegebgebracht wird.
Autorität lässt sich einteilen in fachliche, persönliche und Amtsautrität. Und die Gewichtung dieser drei Formen sehe ich genau in dieser Reihenfolge. Im Idealfall verfügt über eine Autorotätsperson über alle drei Formen, jedoch wird sich jemand mit fachlicher Autorität - also jemand, der weiß was er tut und entsprechende Ergebnisse vorweist - sich durchaus eines gewissen Respektes erfreuen könne und braucht die anderen beiden Autoritätsformen überhaupt nicht mehr. Jemand, der in seinem Fach nicht so versiert ist, muss da schon auf persönliche Autoritäten zurückgreifen. Titel sind da ein schönes Beispiel. Sie sugerieren Kompetenz, wo eigentlich gar keine ist.
Wer auch über diese nicht verfügt, kann sich nur noch der Amtsautorität bedienen. So jemand ist Chef, weil das in seinem Arbeitsvertrag steht oder weil er zufällig der Firmeneigentümer ist. Hierüber kann jeder Pillemann aus der Schublade verfügen, sie wird ihn ohne fachliche und/oder persönliche Autorität nicht weiterbringen - ich weiß wovon ich rede, denn so eine Chefin hatte ich bereits. Von Tuten und Blasen keine Ahnung, aber große Dienstanweisungen treffen, die - selbstverdtändlich - grundsätzlich ignoriert wurden.
In der Kombination der einzelnen Autoritätsformen liegt dann auch meist das Problem, dass jüngere Mitarbeiter trotz ihrer Kompetenz von älteren übergangen werden.